HATO-Projekt: Freiland-Tomaten
Teil 1:
Eigener Anbau = Frische und Qualität
Tomaten sind in den weniger als hundert Jahren, die sie in nennenswertem Umfang in Mitteleuropa angebaut werden, zu einem der beliebtesten Gemüse geworden. Wer ein Stück Garten oder auch nur einen Balkon hat, möchte sich gerne mit den leuchtend gelben, orangen oder roten Früchten versorgen. Frische und Qualität des eigenen Anbaus sind nicht zu überbieten.
Problem Kraut- und Braunfäule
Bei der Wüchsigkeit von Tomaten wäre das eigentlich ein Kinderspiel, wäre da nicht die Kraut- und Braunfäule (Phytophthora infestans), die den ökologischen Anbau im Freiland erschwert oder unmöglich gemacht hat.
Über Jahrzehnte hat es keine Züchtung für diese Anbauweise gegeben, die dem katastrofalen Pilzbefall entgegen gesteuert hätte. Als Folge kommt entweder Handelsware auf den Tisch, oder der Anbau wird viel aufwendiger, da Überdachung und Bewässerung nötig werden.
Alternativen im Freilandanbau - Tomatenversuch
Seit vielen Jahren sind wir Dreschflegel auf der Suche nach Alternativen. Sorten, mit denen man den Freilandanbau verbessern kann, sind im Angebot zu finden.
Von unseren Erfolgen ermutigt, wollten wir unsere Arbeit ausweiten und wurden in der vergangenen Saison dabei großzügig von der Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung unterstützt. Herzlichen Dank dafür!! Wir konnten 92 sorgfältig ausgewählte Sorten in den Dreschflegel-Gärtnereien in Rhauderfehn, Ellingerode und Schönhagen testen und 10 dieser Sorten sogar an 30 Orten in Deutschland.
In dem Jahrhundert-Tomatensommer 2003 mussten wir lange auf den Pilzbefall warten und an vielen Orten blieb er ganz aus. Sehr spannend war die unterschiedliche Reaktion der Sorten auf den Temperatur- und Wasserstress. Speziell die Sorten, die bei geringem Wasser- und Nährstoffangebot bis zum Frost kräftig wachsen und fruchten, werden sich in den nächsten Jahren im Sortiment wiederfinden.
Auch unter unseren Kreuzungen sind einige begeisternde Pflanzen. Interessant waren sehr kleinräumige Unterschiede: Von Acker zu Acker, wenige hundert Meter voneinander entfernt, konnten die gleichen Sorten stark oder auch gar nicht befallen sein. Auch bei Tomaten lohnen sorgfältige Fruchtfolge- und Standortwahl. Der Vergleichsanbau wird 2005 und 2006 fortgesetzt. Wir werden am Ball bleiben und in Saaten & Taten berichten!
Teil 2:
Freiland-Tomaten - Anbauversuche
Die langjährigen Bemühungen des Dreschflegel e.V. um Auswahl und Neuzüchtung von robusten Tomaten-Sorten haben sich ausgezahlt. Ziel sind Sorten mit hoher Toleranz gegen die Kraut- und Braunfäule (Phytophthora infestans) bei guter Fruchtqualität.
Unsere Versuche werden aus dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau bis Ende 2006 finanziert und wir können weiter auf hohem Niveau arbeiten. In Rhauderfehn/ Ostfriesland, Ellingerode/Nordhessen und Schönhagen/ Westthüringen werden auch in Zukunft umfangreiche Vergleiche angelegt.
Seit 2003 gibt es auch den Ringversuch, in dem Kolleginnen und Kollegen zwischen Vorpommern und dem Bodensee, zwischen Husum und München die vielversprechendsten Sorten testen, um zu sicheren Empfehlungen zu gelangen. Herzlichen Dank für die schöne Zusammenarbeit!
Klima, Standort und Sorte müssen passen ...
Nach dem Jahrhundert-Tomatensommer 2003 hatten wir 2004 mit z.T. sehr widrigem Wetter umzugehen: Das Frühjahr begann kalt, teilweise gab es erhebliche Schäden durch Spätfröste, und das Wachstum stagnierte in Schönhagen und Ellingerode mehrere Wochen.
Im feucht-milden Seeklima Rhauderfehns entwickelten sich die Tomatenpflanzen besser, trotzdem war der Beginn der Ernte um 3-4 Wochen verzögert; der Befall durch Phytophthora begann schon Anfang Juli.
In Ellingerode und Schönhagen konnten wir von den robustesten Sorten bis zum Ende der Saison Mitte Oktober ernten. Der Geschmack (fast) aller Tomaten war im Vergleich zum Vorjahr arg verwässert. Ein durchschnittliches Jahr wird sich zwischen diesen Extremen bewegen.
Uns wird immer wieder vor Augen geführt, dass es die Super-Tomate für alle Zwecke nicht gibt, wohl aber eine Vielfalt, die über die ganze Saison verschiedene Bedürfnisse abdeckt. Inzwischen können wir sagen, dass es möglich ist, auch unter ungünstigen Witterungsbedingungen Tomaten ohne Schutz anzubauen. Einige Voraussetzungen müssen stimmen:
- Die Jungpflanzen sollen möglichst kräftig sein und vor Pflanzung (erfolgt nach den letzten Frösten) abgehärtet werden. Eine optimale Pflanze ist gedrungen gewachsen und die Blüte beginnt etwas vor dem Auspflanzen.
- Tomaten wollen sonnig und gut durchlüftet stehen, z.B. locker verteilt im Garten neben niedrigen Nachbarkulturen.
- Das Wichtigste zuletzt, die Sortenwahl!
Es ist zu beachten, dass mit der Fruchtgröße auch der Anbau anspruchsvoller wird. Wildtomaten kommen mit wenig Nährstoffen und Pflege aus, während im anderen Extrem die schweren Fleischtomaten ohne Mist- oder Kompost-Düngung, genügend Platz zum Wachsen und gute Pflege kaum Ertrag bringen.
Sortenwahl
Im Rückblick auf den Vergleich von Hunderten von Sorten ist es einfacher, kleinfrüchtige robuste Sorten zu finden, als Phytophthora-tolerante Salat- und Fleischtomaten.
Die einzige bisher für den ungeschützten Anbau empfehlenswerte Fleischtomate ist die "Paprikaförmige". Ihre Früchte können über 300 g schwer werden, sind rosarot und aromatisch. Sicherer Ertrag in der ersten Hälfte der Saison, danach stark von der Witterung abhängig.
Die "Salattomate Matina" ist sehr früh - eine wichtige Eigenschaft im Freiland - und reich tragend. Das Ende der Saison wird ebenfalls vom Wetter bestimmt.
Als Kochtomate ist der "De Berao-Typ" (z.B. auch "Quadro") zu empfehlen. Die Früchte sind roh stark mehlig.
Im Bereich der Cocktail- oder Naschtomaten wird die Auswahl größer: "Cerise rot" und "Cerise gelb" tragen gleichmäßig über die ganze Saison Früchte von 20-30 g. Der Ertrag wohlschmeckender Tomaten ist für diese Fruchtgröße hoch; die Pflanzen können sehr lang werden - wir wir haben bis über drei Meter gemessen - und produzieren viele Trauben.
"Celsior" hat kleinere, längliche Früchte mit festem Fruchtfleisch. Celsior ist im Frühsommer unauffällig, aber dafür im Spätsommer voller Früchte, die noch lange Zeit zu ernten sind. Die Pflanzen können auch zwei- oder dreitriebig gezogen werden.
Für einen vieltriebigen Anbau, entweder frei streichend auf mehr als einem Quadratmeter oder idealerweise in einen Zaun geflochten, eignen sich die Wildtomaten. "Rote Murmel" und "Golden Currant" machen eine bunte Mischung.
Sehr interessant waren noch einige Sorten aus dem Privaten Samen-Archiv Gerhard Bohl: "Resi Gold" ist eine sehr robuste Sorte mit gutem Geschmack, aber sehr wenig Früchten.
Die Sorte mit dem wohlklingenden Namen "S 030 a" hat lange Rispen mit kleinen, doppelt perlschnurartig aufgereihten Früchten. "Lämpchen" hat große, gelbe Früchte. Diese und andere interessante Sorten, die sich weiter bewähren, werden wir in den nächsten Jahren in das Sortiment aufnehmen.
Wenn die weiteren Tests gut verlaufen, können wir ab 2006 auch die erste von uns neu gezüchtete Sorte zum Ausprobieren anbieten!
Freiland, Gewächshaus oder Balkon?
Freiland - Tomaten machen wenig oder keine Arbeit mit Bewässerung und Lüftung und es ist einfacher, zu verreisen. Andererseits sind die Erträge in der zweiten Hälfte der Saison unsicherer und die Sortenauswahl ist geringer. Auch in Gewächshäusern kann es sinnvoll sein, Phytophthora-tolerante Sorten anzubauen, wenn keine optimale Lüftung möglich ist.
Ist nur wenig Platz vorhanden, sind für den Anbau in Kübeln - nicht unter 5 Liter Volumen! - an der Hauswand oder auf dem Balkon eher schwachwüchsige Sorten wie Matina oder die Kleine Gelbe aus Estland zu empfehlen oder die Buschtomaten Rentita und Balkonstar.
Das Auge isst mit: Obstschalen und Tomatengerichte sehen schön aus mit einer Mischung gelber Früchte und verschiedener Rottöne. Für den geschützten Anbau haben wir inzwischen noch grüne, weiße, schwarze und gestreifte Tomaten anzubieten.
Keine Patentrezepte
Zusammenfassend möchten wir noch einmal betonen, dass es keine Patentrezepte für hundertprozentigen Erfolg gibt. Bei geschickter Sortenwahl und überlegtem Anbau lassen sich die Möglichkeiten für eine Selbstversorgung mit schönen, schmackhaften und qualitativ hochwertigen Tomaten aber erheblich verbessern. Für Fragen und Anregungen stehen wir gerne zur Verfügung.
Text von Bernd Horneburg und Quirin WemberIhre Frage wurde nicht beantwortet oder Sie brauchen noch einen Rat?
Unser Gartentelefon hilft Ihnen gern weiter:
(Jan. bis Okt. Mittwoch 18-20 Uhr)
