Saatguthöfe, Sortenvielfalt, Selbstverwaltung
Wir stellen uns vor
Wir sind eine Gruppe von Menschen, die auf achtzehn Gärtner*innenhöfen biologische Saatgutvermehrung und -züchtung betreiben, das erzeugte Saatgut über einen gemeinsam organisierten Versand verkaufen sowie sich in einem als gemeinnützig anerkannten Verein engagieren.
Seit 1990 haben wir uns der Arbeit an Gemüsesorten und verschiedensten Kulturpflanzen für den Hausgarten verschrieben. Unsere treibende Idee war und ist, Nutzpflanzenvielfalt nicht nur (museal) zu erhalten, sondern zu nutzen, zu entwickeln und weiterzugeben.
Vielfalt kann nur durch viele Menschen an vielen Orten entstehen! Aufgrund dieser Überzeugung arbeiten wir mit samenfesten, nachbaufähigen Sorten, die von allen Interessierten weitervermehrt werden können.
Dreschflegel ist eine breit aufgestellte Saatgutinitiative: So ist die Dreschflegel GbR unsere ökonomische Seite, die den gemeinsamen Versand in Witzenhausen verantwortet, über welchen das auf den Höfen gewonnene Saatgut verkauft wird.
Hier arbeiten wir zu neunt im festen Versandteam, unterstützt von einigen der Gärtner*innen sowie vielen weiteren Menschen, die vor allem in der Hauptsaison – und manche auch das ganze Jahr über – Rechnungen schreiben, Saatgutbestellungen versandfertig machen sowie vieles andere mehr.
Der Dreschflegel e.V. bildet die ideelle Seite unserer Initiative und setzt sich für den Erhalt der Nutzpflanzenvielfalt ein, z.B. durch Austausch mit anderen Saatgutinitiativen, durch die Beschäftigung mit den Einschränkungen des Saatgutrechts, im Ostfrieslandprojekt mit aktiver Sortensammlung und Wiederverbreitung, durch die Unterstützung für die Erhaltungsarbeit nicht zugelassener Sorten sowie im Projekt ‚Wege zur Aufrechterhaltung gentechnikfreier Saatgutarbeit‘, welches als Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG Saatgut) nach außen auftritt.
Selbstverwaltet und hierarchiefrei – (wie) geht das?
Wir organisieren uns selbstverwaltet und ohne klassische Geschäftsführung: Die achtzehn Gärtner*innen und das feste Versandteam arbeiten gleichberechtigt zusammen und treffen Entscheidungen im Konsens.
Um nicht jede Kleinigkeit mit allen diskutieren zu müssen, werden viele Themen in kleineren Koordinations- und Arbeitsgruppen mit eigenem Entscheidungsspielraum bearbeitet. Auch heißt Konsens nicht, dass alle allem zustimmen müssen. Vielmehr versuchen wir, mithilfe eines Stimmungsbildes die für die Gruppe beste Lösung zu finden.
Entgegen unserem ursprünglichen Wunsch, ohne Hierarchien auszukommen, hat sich Dreschflegel inzwischen – nicht zuletzt durch den steigenden Umsatz und die damit einhergehende Vergrößerung der Gruppe – teilweise anders entwickelt.
Zwar arbeiten wir nach wie vor in nicht hierarchischer Struktur, doch sind uns informelle Hierarchien, wie z.B. durch historisch gewachsenes Erfahrungswissen sowie ungleiche Verteilung von Verantwortung, nicht fremd. Und sowohl auf den Höfen als auch im Versand gibt es weitere Menschen, die an unseren Entscheidungen nicht direkt beteiligt sind.
Den Begriff Vielfalt mit Inhalt füllen
Unsere Felder sollen bunt sein – und zwar nicht nur in Hinblick auf die Kulturpflanzenvielfalt, sondern auch im gesellschaftlichen Sinne. Wir stehen für eine vielfältige und demokratische Gesellschaft ein, die die Menschenrechte anerkennt und möglichst große Spielräume für selbstbestimmte Lebensentwürfe lässt.
Wir sprechen uns klar gegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und gegen alle weiteren Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aus. Wir sind uns bewusst, dass Themen wie ökologische Landwirtschaft, Gentechnikkritik und samenfeste Sorten auch von rechter Seite bespielt werden.
In unserer ausführlichen Positionierung gegen rechts beschreiben wir unser linkes, feministisches Weltverständnis, aus welchem heraus wir unseren Einsatz für diese Themenfelder begründen.
Für uns ist Ökolandbau selbstverständlich. Dabei hangeln wir uns nicht an Richtlinien entlang, sondern handeln aus Überzeugung. Uns ist wichtig, gelebte Gegenentwürfe zu Praktiken der Agrar- und Saatgutindustrie, zu Gentechnik und molekularen Züchtungstechniken zu schaffen.
Hierzu gehört für uns, die Konsumhaltung zu hinterfragen, die auch in der ökologischen Landwirtschaft verbreitet ist: Wenn wir Alternativen zu einem immer intensiveren Anbau, gleichförmigeren Sorten und fragwürdigen Züchtungstechniken wollen, dann müssen wir uns für diese einsetzen.
Aus dieser Haltung heraus haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, eine große Kulturpflanzenvielfalt anzubauen sowie Saatgut von Sorten aus integerer Züchtung zur Verfügung zu stellen, um damit Ansätze von Saatgut- und Ernährungssouveränität zu stärken.
Wir möchten eine breite Pflanzenvielfalt wieder nutzbar machen. Das bedeutet für uns auch, dass wir uns vielen vernachlässigten Sorten und Arten zuwenden, sie erhalten und verbessern. Hierzu gehören alte Kulturpflanzen wie Gelbe Bete, Linsen, Erdkastanie und viele mehr.
Wir arbeiten aber auch mit neuen, zum Teil eigenen Züchtungen. Die eingesetzten Züchtungstechniken sind Kreuzungen (Handbestäubung oder durch gemeinsames Abblühen) und optische Auslese auf dem Acker, aber auch Geschmackstests oder Zuckerbestimmungen. So erfolgt eine langjährige Sortenentwicklung mit Anpassung an die biologischen Anbaubedingungen unserer Gärten und Äcker (Evolution aus dem Labor, Vielfalt auf dem Acker und warum das nicht zusammen passt).
Wir arbeiten mit und an robusten Pflanzen, die gegenüber Klima- und Bodenbedingungen anpassungsfähig sind, gut schmecken und schön aussehen.
Zudem ist uns die Toleranz der Sorten gegenüber Beikräutern, Pflanzenkrankheiten und fressbegierigen Krabbeltierchen wichtig (wir selbst sind diesbezüglich mitunter nicht so tolerant!).
Eine gute Erschließung der Bodennährstoffe, sichere Erträge auch in ungünstigen Jahren und lange Ernteperioden statt industrieller, einmaliger Ernte runden die von uns präferierten Sorteneigenschaften ab.
Mit unserem großen Sortiment sowie unseren Saatgutseminaren und Praxistexten möchten wir Haus- und Erwerbsgärtner*innen ermutigen, sich Saatgutwissen anzueignen und Saatgut selbst zu vermehren.
So können wir gemeinsam der Vereinheitlichung in der Landwirtschaft sowohl innerhalb einzelner Sorten als auch im Sortenspektrum etwas entgegensetzen und uns von der Fülle der Nutzpflanzenvielfalt begeistern lassen!