Dreschflegel Bio-Saatgut
Pflanzenportrait: Blumenkohl (Autoren: Jens Molter, Jürgen Wehrle und Quirin Wember)
Kulturpflanzen zeichnen sich meist durch eine Vergrößerung speziell genutzter Pflanzenorgane aus. Unter den vielfältigen Formen stellt die Herauszüchtung verdickter Blütenstände für den Verzehr eher eine Besonderheit dar.
In der Familie der Kreuzblüter oder Kohlgewächse (Brassicaceae) bieten schon viele Wildformen, wie z.B. auch der Helgoländer Wildkohl, schmackhafte Blütensprosse an. So war es wohl naheliegend, bei Kohlgewächsen auf verschiedenste Weise auf diese Eigenschaft auszulesen.
Herkunft und Geschichte
Blumenkohl und Brokkoli gehören botanisch der selben, sehr formenreichen Art Brassica oleracea (Kohl) an, zu der auch Kopfkohl (Weiß-, Rot-, und Wirsingkohl), Krauskohl, Rosenkohl oder etwa Kohlrabi gehören. Der bei uns weniger bekannte Knospenkohl ist hingegen, wie der italienische Name 'Cime di rapa' schon sagt, ein Vertreter der nahe verwandten Art Brassica rapa (Rübsen), der auch Stielmus und Mairüben angehören.
Während kopfbildende Kohlformen in Europa vermutlich schon seit 2500 Jahren kultiviert werden, waren Blumenkohl und Brokkoli in der Antike und im frühen Mittelalter hier unbekannt. Als Ursprung des Blumenkohls gelten das südliche Griechenland sowie Zypern und Kreta. Von dort gelangte er um 1500 nach Italien.
Abbildungen in Büchern belegen, dass er Mitte des 16. Jahrhunderts auch in Deutschland bekannt war. Im 17. und 18. Jahrhundert erreichte dann die Blumenkohlzüchtung rund um Erfurt Weltruf.
Das Wort Brokkoli ist italienischer Herkunft und bedeutet "sprossender Kohl". Besonders der Süden Italiens gilt als Heimat des Brokkolis. Wahrscheinlich stammt er ebenfalls von Wildvorfahren des östlichen Mittelmeeraumes ab, ist aber weder eine einfache Vorstufe zum Blumenkohl, noch aus diesem hervorgegangen, sondern unabhängig entstanden.
Wie der Brokkoli, so kommen auch die Cime di rapa ursprünglich aus Süditalien, wo es noch weitere, nie über die Region hinaus verbreitete Knospenkohle gibt - ein deutliches Zeichen, dass diese Nutzung dort seit Jahrhunderten Tradition hat.
In Deutschland wird Brokkoli vermutlich schon seit dem 17. Jahrhundert kultiviert, richtig beliebt wurde er aber erst, als italienische EinwanderInnen ihn, wie auch Pizza und Pasta, Mitte des 20. Jahrhunderts bekannter machten. Heute kann der Verbrauch in Deutschland nur durch umfangreiche Importe gedeckt werden!
Botanik
Was Brokkoli und Blumenkohl unterscheidet, ist die Art der Umbildung des Blütenstands zum Nutzungsorgan: Während die "Brokkoliblume" (und die der Cime di rapa) aus vielen kleinen eng gepackten aber voll ausgebildeten Einzelknospen besteht, ist die "Blumenkohlblume" durch fleischig verdickte Knospenanlagen gekennzeichnet; daher auch der Name "Käsekohl".
Betrachtet man die Sortenvielfalt, wird die Unterscheidbarkeit erschwert. Zwar ist Blumenkohl heute üblicherweise weiß und Brokkoli grün, doch gibt es auch (hell-)grünen und violetten Blumenkohl, und Brokkoli in gelb, weiß und violett. Neben den Kopfbrokkoli mit großen Blumen existieren noch Sorten mit vielen, ausschließlich kleinen, langgestreckten Blütentrieben. Diese Sorten werden als Sprossen-Brokkoli oder Spargelkohl bezeichnet. Nicht zu den Brokkolisorten zählen die ebenfalls in verschiedenen Farben vorkommenden Romanesco-Typen des Blumenkohls!
Züchtung

Brokkoli Calabrese
in Blüte
Anders als bei vielen anderen Kulturpflanzen stieg in den vergangenen Jahrzehnten die Anzahl der Sorten stark an. Allerdings handelt es sich dabei fast ausschließlich um Hybridsorten mit gleichförmigem Äußeren, einheitlichem Erntezeitpunkt, sehr großen, festen Köpfen und bei Brokkoli geringer Seitentriebbildung.
Der Erwerbsanbau verwendet heute fast ausschließlich solche Hybridsorten, die jedoch die tatsächliche Vielfalt nicht wiederspiegeln. Im Gegenteil "verfälschen" sie unser Bild dieser Kulturpflanzen, da beispielsweise Brokkolisorten nicht unbedingt so fest geschlossene Blumen ausbilden müssen, um ertragreich und vor allem auch lecker zu sein.
Eine sehr bedenkliche Entwicklung in der kommerziellen Züchtung ist die Anwendung der Protoplastenfusion. Hier wird mit aufwändiger Technik im Labor eine künstliche Fusion von Zellplasma verschiedener Pflanzenarten herbeigeführt, daher sprechen Fachleute von der "Kleinen Gentechnik", die jedoch nicht zulassungs- oder kennzeichnungspflichtig ist.
Ziel der Saatgutkonzerne ist es, Cytoplasmatische Männliche Sterilität (CMS) künstlich in Hybridsorten einzubringen. Dadurch wird die Erzeugung von Hybridsaatgut technisch vereinfacht, irgend einen Nutzen für den Anbau gibt es nicht. Bio-Verbände wie Demeter, Naturland, Gäa, Verbund Ökohöfe und Bioland haben den Anbau solcher CMSSorten verboten.
Die Erhaltung, Weiterentwicklung und Saatgutvermehrung alter und neuer samenfester Sorten ist daher um so wichtiger! Sie stellt nicht nur uns Dreschflegel hier in Mitteleuropa vor eine große Herausforderung. Denn in dem Maße, wie die Menschen die Umbildung der Blütenstände für ihre Nutzung vorangetrieben haben, ist die natürliche Fähigkeit zur Reproduktion zurückgegangen.
Neuere Typen, die den Hybriden ähnlich sehen, sind hierzulande praktisch nicht vermehrbar, da ihre Blumen wegfaulen, statt sich zur Blüte zu strecken. Und auch alte Sorten müssen erst wieder an unser Klima angepasst werden. Wird auf Samenbildung gezüchtet, lässt aber die Blumenqualität schnell zu wünschen übrig. Beide Eigenschaften zu vereinen, ist der Spagat der Blumenkohlzüchtung.
Die um 1830 entstandene Blumenkohlsorte "Erfurter Zwerg" etwa ist in ihrer ursprünglichen Form heute praktisch nicht mehr vorhanden. Was im Handel unter diesem wohlklingenden Namen angeboten wird, ist zum größten Teil merkwürdig hybridähnlich! In Erfurt würden solche Provenienzen praktisch nicht zur Blüte kommen.
Bei Dreschflegel gibt es seit 1996 wieder eine Freilandvermehrung von Erfurter Zwerg. Seitdem hat sich die Sorte sehr stark entwickelt. Die Eigenschaft der Samenbildung konnte wiedergewonnen werden und die Blumenqualität bekam parallel etwa den Status von 1950.

Brokkoli Calabrese
Erntestadium
Ebenfalls seit längerem gibt es bei Dreschflegel die klassische Brokkolisorte Calabrese. Von diesen Erfolgen ermutigt, haben wir in den letzten Jahren begonnen, die Arbeit an weiteren Sorten aufzunehmen, womit wir dem Ziel Vielfalt auch bei dieser anspruchsvollen Kulturpflanze schon ein ganzes Stück näher gekommen sind.
Bis heute konnte beides weiter verbessert werden, so dass sich nun eine Sorte präsentiert, die relativ früh, aber über ca. drei Wochen verteilt kleine bis mittelgroße, flache, ausgesprochen leckere Blumen bildet. Vom Erreichen der vollen Größe bis zur das Schossen einleitenden Auflockerung vergehen etwa vier Tage - genug Zeit, um zu überlegen, ob Kochtopf, Salatschüssel oder doch die eigene Saatgutgewinnung lockt? Womit die Sorte den Namen "Erfurter" vielleicht wieder verdient, auch wenn sie die letzten Jahre in Hessen statt in Thüringen verbracht hat.
Anbau
Der Anbau im Garten erfolgt wie bei den meisten Kohlarten mit einer Voranzucht der Jungpflanzen ab Februar. Gepflanzt werden kann ab Ende März ins Freiland, wenn keine sehr starken Fröste mehr zu erwarten sind.
Brokkoli ist kältetoleranter als Blumenkohl, der bei früher Pflanzung dankbar auf eine Vliesbedeckung reagiert. Während Brokkoli noch laufend bis in den Juli hinein angezogen werden kann, ist bei Blumenkohl von April bis Mai eine "Sommerpause" einzulegen, um dann wieder für den Herbstbedarf auszusäen. Im Juni ist es nämlich oft zu heiß, sie bilden dann keine Blumen.
Für eine sichere Ernte und hohe Qualität sollte der Boden gar und gut mit Gründüngung, Mist oder Kompost versorgt sein. Auch eine gleichmäßige Wasserversorgung ist wichtig. Die raschwüchsigen Cime di rapa sind deutlich weniger anspruchsvoll und daher ein guter "Einstiegsbrokkoli". Sie werden direkt ins Freie gesät und zur Entwicklung größerer Sprosse später vereinzelt.
Wichtig ist nur der Schutz vor Erdflöhen, denn diese Tierchen lieben besonders jegliche Form von Brassica rapa. Kein Wunder, warten doch die Cime di rapa mit einem wunderbaren, ganz leicht meerettichscharfem Aroma auf.
Von im Frühjahr gesetzten Brokkolipflanzen kann ca. im Juni eine 10 bis 20 cm große Hauptblume geerntet werden. Dies geschieht kurz vor dem Aufblühen der Einzelblüten durch Abschneiden mit einem scharfen Messer. Bis zum Einsetzen von stärkerem Frost können bei unseren samenfesten Sorten dann fortlaufend kleinere Nebentriebe geerntet werden. Eine einmalige Pflanzung im Frühjahr kann uns somit die ganze Saison mit frischem Brokkoli versorgen.
Schädlinge
Damit dies gelingt, sind allerlei Leckermäuler von den Pflanzen fernzuhalten. Im Frühjahr sind besonders Schnecken zu beachten, im Sommer Raupen, die mehlige Kohlblattlaus, Kohlfliege, Drehherzmücke und Erdflöhe im Jugendstadium. Dies sollte jedoch niemanden vom Anbau abhalten.
Schnecken und Raupen können leicht abgesammelt werden, ansonsten verhindern Mischkultur und pflanzenstärkende Methoden, wie der Einsatz von Kompost und Gesteinsmehlen, einen größeren Schaden. Wichtig ist ebenfalls eine mehrjährige Anbaupause nach anderen Kreuzblütern, um bodenbürtige Krankheiten zu verhindern.