Dreschflegel Bio-Saatgut
Pflanzenportrait: Von der Vielfalt der Hirsen (Autorin: Kaya Berger)

Süßhirse
In den letzten und diesen (2022) Saaten & Taten berichten wir unter anderem über das vom VEN (Verein zum Erhalt von Nutzpflanzenvielfalt e.V.) gekürte Gemüse des Jahres 2021/22 – den Mais (S. 107).
Im weltweiten Vergleich hat dessen nahe Verwandte, die Hirse, deutlich weniger Bedeutung: Im Gegensatz zu rund einer Milliarde Tonnen Mais werden weltweit pro Jahr nur ca. 90 Millionen Tonnen Hirse produziert.
Beim Mais sehen vermutlich die meisten Menschen direkt einen Kolben vor sich. Egal ob Popp-Mais, Körnermais, Zuckermais – es geht botanisch immer um verschiedene Sortengruppen einer Art: Zea mays.
Was ist eigentlich „Hirse“?
Dagegen werden mit dem Begriff Hirse sehr unterschiedliche Bilder assoziiert. Und so ist Hirse auch ein botanisch nicht klar definierter Sammelbegriff für verschiedenste Gattungen der Familie der Süßgräser.
Die großkörnige Gattung der Sorghumhirsen umfasst allein bereits zwei Drittel der weltweiten Hirseproduktion. Neben ihr gibt es ca. elf weitere Gattungen kleinkörniger Hirsen.
Gemeinsamkeiten finden sich in ihren Anbaueigenschaften und traditionellen Bedeutungen: Alle Hirsen gehören – so wie der Mais – zu den C4-Pflanzen1 und sind als solche wärmeliebend. Sie sind sogar noch trockenheitstoleranter als Mais und kommen gut auf ärmeren Böden zurecht.
So können sie auch in schlechten Jahren gute Erträge liefern und waren früher auch in Mitteleuropa als Hungergetreide weit verbreitet. Nach wie vor sind sie in warmen Teilen der Welt bedeutende Futterpflanzen und Grundnahrungsmittel.
Die verschiedenen Hirsen werden als Mehl zu Brot, Fladen und Brei verarbeitet. Aus vielen Arten werden traditionelle Biere gebraut und die Stängel werden als Brennstoff und Baumaterial verwendet.
Hirse als Beikraut

Fingerhirse
Denken nicht viele Gärtner*innen bei Hirse zuallererst an lästige Gräser, die sich im Laufe der warmen Vegetationsperiode immer hartnäckiger im Gemüsebeet festkrallen?
Auch bei dieser uns vertrauten Begleitflora ist die botanische Vielfalt groß. In Deutschland jäten und hacken wir vor allem drei Gattungen, die sich teilweise mit denen verschiedener Nutzpflanzen decken: Digitaria (Fingerhirsen), Setaria (Borstenhirsen) und Echinochloa (Hühnerhirse).
In tropischen und subtropischen Gebieten ist die Hirsenvielfalt auch unter den Beikräutern noch größer. Global gesehen sind Hirsen vor allem im Mais- und Reisanbau problematische Beikäuter. Die in diesen Kulturen stetig wachsende Menge eingesetzter Herbizide vermag die nah verwandte Hirse nicht zu schädigen. Dadurch wird diese gegenüber anderen Beikräutern begünstigt und stark in ihrer Ausbreitung gefördert.
Spritzmittelforscher*innen bestellten vor einigen Jahren 80 Päckchen Fingerhirse bei Dreschflegel, um die Wirksamkeit von Herbiziden zu testen. Diese Anfrage haben wir allerdings nicht bedient.
Unser Hirsesortiment
Im Dreschflegelsortiment sind als Hirse acht Nutzpflanzen aus fünf verschiedenen Gattungen vertreten. Um die Spannbreite der Hirsen etwas zu umreißen, wird an dieser Stelle unser Sortiment vorgestellt:
- Die Rispenhirse (Panicum milliaceum), auch echte Hirse genannt, kommt aus dem Norden Chinas. Sie zählt zu den ältesten Getreidearten und wurde bereits zur Bronzezeit (2200 bis 800 v. Chr.) in Mitteleuropa angebaut. Damals war sie Hauptnahrungsmittel und wurde vor allem als Brei gegessen. Heutzutage wird Hirse in regionaler Bioqualität stark nachgefragt und als Nischenprodukt von Landwirt*innen angebaut. Problematisch sind die Trocknung und das aufwendige Entspelzen. Die von uns angebotene Sorte ist eine Züchtung aus Sachsen-Anhalt.
- Ähnlich wie die Rispenhirse wird auch die Kolbenhirse (Setaria italica) als Körnerfrucht verwendet. Sie stammt ebenfalls aus dem nördlichen China, wo sie heute noch angebaut wird – wie auch in vielen anderen Regionen der Welt. Sie hat höhere Ansprüche an eine gute Wasserversorgung als andere Hirsen. Die ganzen Kolben werden gerne als Vogelfutter aufgehängt und sind zu diesem Zweck in Zoohandlungen zu kaufen. Unsere Sorten Herbstfeuer und Millet Empire eignen sich auch als Zierpflanzen im Garten.
- Tef (Eragrostis tef) ist in Äthiopien und Eritrea beheimatet und wird dort als Grundnahrungsmittel angebaut. Die kaum einen Millimeter großen Samen müssen nicht geschält werden. Traditionell wird daraus Enjera gebacken – ein dünnes Fladenbrot auf Sauerteigbasis. Aber auch in der Bierherstellung und als Viehfutter findet Tef Verwendung. Die genügsamen, zarten Pflanzen werden nur 60 bis 80 cm hoch. Die von uns angebotene Sorte gedeiht gut in unserem Klima.
- Der Begriff Fingerhirse wird nicht nur für die Gattung Digitaria benutzt, sondern auch für Eleusine, ein wichtiges Grundnahrungsmittel in manchen Regionen Indiens und Afrika. Hier geht es im Folgenden um die von uns angebotene Blutrote Finger- oder Bluthise (Digitaria sanguinalis). Sie ist kleinsamig und wurde vom Mittelalter bis Mitte des 20. Jahrhunderts im östlichen Mitteleuropa als Grundnahrungsmittel angebaut: Die Körner wurden durch Stampfen entspelzt und für Brei oder Suppen verwendet. Heute wird die Bluthirse in Nordamerika als Futtergras angebaut.
- Zu der aus den Tropen stammenden Sorghumhirse oder Körnerhirse (Sorghum spec.) gehören in unserem Sortiment die Zuckerhirse, die Besenhirse und die Popp-Hirse. Diese anderthalb bis drei Meter hohen Pflanzen sind ein schöner Blickfang im Garten und finden auch in Sträußen und Trockengestecken Verwendung.
- Die Zuckerhirse (Sorghum saccharatum convar. saccharatum) – neuerdings nicht mehr unter Hirsen, sondern in unserer neuen Kategorie Süßungspflanzen zu finden – wird zur Produktion von Sirup angebaut. Sie wird jedoch zunehmend von dem nahe verwandten Zuckerrohr sowie von Zuckerrüben verdrängt. Um an das süß-saftige Mark des Stängels zu gelangen, kann er geschält und (zum großen Vergnügen der Kinder) ausgekaut werden.
- Die strapazierfähigen, dichten Rispen der Besenhirse (Sorghum bicolor) sind tatsächlich zu genau diesem Zweck angebaut worden: Eng gebunden ergeben sie hervorragende Reisigbesen und Bürsten. Die etwas kleineren Körner wurden häufig als Viehfutter verwendet.
- Eine ganz andere Verwendung findet die Popp-Hirse (Sorghum bicolor): Ihre Samen lassen sich leicht entspelzen (z.B. durch Walken in einem Tuch) und können dann wie Popp-Mais oder Popp-Amaranth in der Pfanne gepoppt werden. Danach müssen sie nicht weiter verarbeitet werden, sondern können direkt ins Müsli, auf den Salat oder in einen selbst hergestellten Riegel wandern!
Hirse heute

Popp-Hirse
Insgesamt wurden diese eher traditionellen Nutzungsformen der Hirse seit dem 16. Jahrhundert immer weiter von Mais und Kartoffel verdrängt. Heute stoßen die Hirsen jedoch wieder auf wachsendes Interesse:
Aufgrund des Klimawandels finden auf trockenen Standorten Versuche statt, bei denen Hirsen als Grünfutter, für Silage oder Biogas, als Fruchtfolgebereicherung und Mischkulturpartner angebaut werden. Außerdem haben sie als gesundes, glutenfreies Getreide schon lange ihren festen Platz in Bio- und Naturkostläden gefunden.
Wir hoffen, dass dieses vielfältige Getreide auch in seiner Qualität als Grundnahrungsmittel in Ackerbau und Selbstversorger*innen-Gärten wieder an Bedeutung gewinnt.