Dreschflegel Bio-Saatgut
Samenbau: Samenlose Vermehrung - Knoblauch, Kartoffeln & Co (Autor: Jens Molter)
In den vergangenen Jahren behandelten wir in dieser Reihe die Frage, wie sich im eigenen Garten verschiedene Gemüse selbst vermehren lassen. Von Bohnen bis Zwiebeln erklärten wir jeweils, wie der Anbau erfolgen sollte, um die eigene Saat zu gewinnen, wie mit einfachen Mitteln Samen gedroschen und gereinigt werden können und auch, wie das fertige Saatgut gelagert werden muss.
Doch die Vermehrung etlicher Kulturpflanzen folgt nicht diesem Schema: Sie machen entweder gar keine Samen oder verlieren, wenn sie aus Samen gezogen werden, ihre bekannten Sorteneigenschaften.
Zu diesen Pflanzen gehören die Mehrheit des Kern- und Steinobstes sowie Beerensträucher, also viele Gehölze, einige Wurzelgemüse, Knollengewächse sowie Zwiebelgewächse, aber auch einige ausdauernde Kräuter und Blumen.
Konkret im Hausgarten wären beispielsweise Kirschbaum, Knoblauch oder Kartoffel zu nennen. Sie eint, dass sie nicht generativ – also über Samen –, sondern vegetativ durch Teilung oder mittels Stecklingen, Veredelungen, mit ihren Zwiebeln, Knollen, Wurzeln und dergleichen vermehrt werden.
Kartoffelvielfalt
Das heißt, alle Bäume einer beliebigen Kirschensorte oder alle Kartoffeln einer Sorte sind ausschließlich vegetativ vermehrte, genetisch identische Individuen oder auch „natürliche“ Klone! Eine Besonderheit jeder Klonsorte ist, dass sich alle Individuen der Sorte zwar gleichen, fast wie ein Ei dem anderen, doch generativ (über Samen) vermehrt sind diese Eigenschaften nicht stabil.
Sobald wir also Kirschen oder Kartoffeln aus Samen ziehen, kann neue Vielfalt entstehen. Das ist spannend und für Experimentierfreudige empfehlenswert. Kirschzüchtung dürfte allerdings HäusgärtnerInnen überfordern, aber warum denn nicht Johannis- oder Himbeeren aus Samen ziehen? Doch das ist eine andere Geschichte...
Wichtige Voraussetzungen
Einige der in unserem Dreschflegel-Sortiment angebotenen Sorten gehören zu jenen Pflanzenarten, welche vegetativ erhalten und vermehrt werden müssen. Was gibt es dabei zu beachten?
Natürlich hängt dies zuerst von der entsprechenden Pflanzenart ab. Ein ganz allgemeiner, für alle vorgestellten Arten geltender Sachverhalt betrifft die Pflanzengesundheit:
Pflanzgut darf immer nur von gesunden Pflanzen stammen. Das trifft zwar auch auf Saatgut zu, über Samen lassen sich jedoch einige (außer den sogenannten samenbürtigen) Krankheiten abstreifen, während krankes Pflanzgut Pilze, Bakterien, Viren oder sogar Wurzelläuse sehr zuverlässig in den nächsten Anbau befördert!
Ein anderer allgemeiner Sachverhalt ist dafür umso erfreulicher:
Die Kulturführung zur Gewinnung von Pflanzgut unterscheidet sich nicht vom normalen Anbau zu Speisezwecken! Nur der gründliche Blick auf die Pflanzengesundheit kommt eben hinzu.
Zwiebelgewächse
Brutzwiebeln
Unter den im Hausgarten kultivierten und auch von uns angebotenen Zwiebelgewächsen gibt es einige Arten, die vegetativ vermehrt werden müssen, da sie keine (oder nur unter speziellen Bedingungen) Samen ausbilden. Dazu gehören Wilder Porree, Etagenzwiebel und Knoblauch. Eine andere Art, die Schalotte, blüht und fruchtet zwar hin und wieder, wird aber über die Zwiebeln vermehrt.
Zum Knoblauch
Als Vermehrungsmaterial dienen üblicherweise die einzelnen Zehen. Von der Ernte des Knoblauchs zu Beginn des Sommers (wenn das Laub vergilbt) bis zum Zeitpunkt der Neupflanzung, im Regelfall im Oktober, muss die Pflanzware luftig und trocken, aber keinesfalls der Sonne ausgesetzt, gelagert werden.
Erfolgt die Lagerung zu feucht, kann Schimmel auftreten, erfolgt sie zu trocken oder warm, schrumpeln die Zehen zu sehr. Da einzelne Zehen schneller ausdörren würden, bleiben die Zwiebeln besser am Stück.
Praktisch ist es, nach der Ernte Knoblauchpflanzen samt ihrem Laub als Bündel an Schnüren aufzuhängen. Vor dem Pflanzen müssen dann die einzelnen Zehen gewonnen werden.
Wer mehr Zwiebeln in Zehen zerbricht, als Pflanzzehen benötigt werden, kann die kleineren zum Essen beiseite legen und nur die schönen, gesunden und großen auspflanzen. Denn die Erfahrung zeigt: von großen Pflanzzehen gibt es große, von kleineren Zehen eher kleine Zwiebeln zu ernten.
Gesteckt wird Knoblauch in lockeren Boden, etwa doppelt so tief wie die Zehen hoch sind, auf einen Abstand von 10 cm in der Reihe und Reihenabständen von mindestens 30 cm.
Stängelbildende Knoblauchsorten bieten uns mit ihren kleinen oder bisweilen auch recht großen Bulbillen (auch Brutzwiebelchen genannt) eine weitere Möglichkeit der Vermehrung.
Auch wenn diese Bulbillen im Blütenstand gebildet wurden, stammen sie nicht aus einer Befruchtung, sondern sind vegetative Vermehrungsorgane wie die Zehen unter der Erde.
Bulbillen fallen bei diesen Sorten eh an, lassen sich gut aufbewahren und können schon im Herbst wie Zehen gesteckt werden. Es wachsen aus ihnen bis zum kommenden Sommer meist eher kleine Pflanzen.
Mir selbst gefällt es besser, die Brutzwiebelchen erst im April und deutlich dichter zu pflanzen, mit etwa 2 bis 3 cm Abstand in der Reihe. Bei dieser Kulturführung gewinne ich ebenfalls im Sommer ca. 2, manchmal 3 cm dicke, noch ungeteilte kugelige Zwiebeln, die so genannten Rundlinge. Diese werden im Oktober wie Zehen gesteckt und ergeben schönen, großen Knoblauch im Folgejahr.
Zum wilden Porree
Wilder Porree ähnelt dem Knoblauch und ist leicht zu vermehren: Wer nicht alle Pflanzen isst, hat sowohl die unterirdischen Porree-Zehen, die vereinzelt werden sollten, als auch oberirdische Bulbillen, die ebenfalls gepflanzt werden können.
Zur Schalotte
Einfach gestaltet sich ebenfalls die Vermehrung der Schalotte. Bei Schalotten werden im Frühjahr, spätestens im April, einzelne Zwiebeln so tief, dass die Spitze gerade noch aus der Erde schaut, auf etwa 15 cm in der Reihe und Reihenabständen von ca. 40 cm gesteckt.
Durch Teilung wachsen daraus jeweils bis zu 15 neue Schalotten. Geerntet wird, wenn sich das Laub zurückgezogen hat.
Für die Lagerung gilt das bei Knoblauch Geschriebene, nur, dass sie sich natürlich nicht aufhängen lassen. Zur Aufbewahrung geeignet sind flache Obststiegen aus Holz oder Pappe.
Wer die Pflanzware für das kommende Frühjahr auswählt, kann sich an folgender Beobachtung orientieren: Besonders große Zwiebeln teilen sich oftmals sehr stark und ergeben darum sehr viele neue, in der Tendenz jedoch manchmal kleinere Schalotten, während die kleineren Pflanzzwiebeln sich etwas weniger zahlreich teilen, wodurch die einzelnen Schalotten häufig wieder ziemlich groß ausfallen können.
Knollengewächse
Von den vegetativ vermehrten Knollengewächsen finden sich in unserem Sortiment Oca, Topinambur und Kartoffeln.
Zur Kartoffel
Kartoffelkeimlinge
Von Kartoffeln bieten wir statt Pflanzware allerdings Samen zur Züchtung eigener Sorten an. Aus Samen gezogene Pflanzen überraschen im Herbst bei Ernte der Knollen mit einer Fülle an Formen und Farben.
Gerade dabei stellt sich dann die Frage, wie die spannenden Kandidatinnen zuverlässig vermehrt werden können. Denn was bei den Zwiebelgewächsen ganz einfach ist, gestaltet sich bei Kartoffeln etwas schwieriger.
Der Reihe nach: Zunächst müssen schöne, gesunde Pflanzkartoffeln bei der Ernte ausgelesen werden. Sehr große Knollen wären etwas zu schade, ganz kleine scheiden aus, ebenfalls sollten alle verletzten sowie von Drahtwürmern, Mäusen oder Schnecken angeknabberte Knollen nicht als Pflanzware verwendet werden.
Die Ausnahme besteht im ersten Jahr, wenn der geringe Ertrag des Sämlingsanbaus Kompromisse bei der Auswahl nötig macht. Aber: keine Kompromisse bei den Krankheiten! Von Kraut- und Knollenfäule oder Nassfäule befallene Knollen wird man eh nicht nehmen wollen, sie fallen leicht auf.
Kartoffelvielfalt
Genauer hinschauen sollte man, ob ein Befall sogenannter Rhizoctonia-Pilze vorliegt: Im Bestand ist ein leichter Befall zunächst oft nur schwer an hängenden, welken Triebspitzen zu erkennen, an den Kartoffeln dann sicherer als kleine, schwarze, harte Pusteln auf der Schale, die sehr fest anhaften. Solche Kartoffeln sind nicht für Pflanzgut geeignet.
Gelagert werden Pflanzkartoffeln an einem Ort (Keller), von dem man weiß, dass auch Speisekartoffeln dort gut bis zum Frühjahr lagern. Eine Belichtung, die bei Speisekartoffeln sehr schädlich wäre, stört bei Pflanzware nicht.
Ein Vorkeimen empfiehlt sich ab einem Monat vor dem gewünschten Pflanztermin. Dazu werden die Pflanzkartoffeln in einer dünnen Lage an frostfreiem, sehr hellen, gerne sonnigen Ort ausgebreitet. Eventuell schon im Lager gewachsene, dünne bleiche Dunkelkeime werden entfernt.
Wenn die Kartoffeln auf diesen Ortswechsel mit kurzen, gedrungenen Austrieben mit winzigen Blatt- und Wurzelanlagen reagieren, ist alles richtig, auch wenn die Knollen in dieser Zeit leicht schrumpelig zu werden beginnen. Derart vorgekeimt werden die Pflanzkartoffeln ab April bis Anfang Mai wieder in den Garten gepflanzt.
Ein leidiges Thema des Kartoffelanbaus aus eigenem Pflanzgut sind Virosen, also Virus-Erkrankungen, da sie die Pflanzen schwächen und den Ertrag senken. Leider lassen sich die Kartoffeln nicht vor einem Befall durch Viren schützen, und diese werden, da sie in die Knollen einwandern, mit Pflanzknollen in den Folgeanbau übertragen.
Auffällig jedoch ist, dass manche Sorten stärker darunter zu leiden scheinen als andere. Was im Hausgarten jedenfalls nie schadet, ist, alle auffälligen Pflanzen des Bestands (Blätter marmoriert, blasig, gilbend etc.) vorzeitig mit der Grabegabel auszubuddeln und als „Frühkartoffeln“ zu verzehren.
Zur Topinambur
Sehr einfach gestaltet sich die Erhaltung des Topinamburs. Gesund sind die Pflanzen in der Regel immer, und auch außerordentlich wüchsig.
Höchstens darin besteht das Problem: Wenn im späten Herbst oder laufend über den Winter die frostharten Knollen geerntet werden, werden leicht einige übersehen, oft zu viele für den Aufwuchs im Folgejahr.
Wenn Topinambur aber zu dicht steht, werden die zu erntenden Knollen eher klein bleiben und es wird noch schwieriger, sie beim Ausgraben allesamt zu finden.
Wer Topinambur auf dem immer gleichen Bereich im Garten vermehren möchte, sollte deshalb im Frühjahr, wenn die in der Erde verbliebenen Knollen treiben, die Anzahl auf etwa vier bis fünf Pflanzen je Quadratmeter ausdünnen. Nur bei sowieso kleinknolligen „Wuchersorten“, wie unsere Gföhler Rote, kann dieses Ausdünnen entfallen.
Ich dagegen praktiziere und empfehle bei anderen Sorten einen einjährigen Anbau: Aus im zeitigen Frühjahr gelegten Knollen (in der Reihe ca. 40 cm, Reihenabstand 75 cm) lasse ich die Austriebe etwa kniehoch werden und häufle dann die Reihen zu Dämmen, die ruhig etwas größer und höher sein dürfen als im Kartoffelanbau. Dadurch erhalten die Pflanzen später, wenn sie bis zu 3 m Höhe erreicht haben, eine gute Standfestigkeit.
Gleichzeitig erleichtert der Dammanbau auch das Ausgraben der Knollen ganz enorm. Derart angebaut rotiert Topinambur in meiner Fruchtfolge. Auf dem letztjährigen Beet austreibende Pflanzen werden dann im Frühjahr vollständig entfernt.
Zur Oca
Als Letzte im Bunde stelle ich noch die Oca vor: Diese hier recht unbekannte Knollenfrucht gehört zu den Sauerkleegewächsen, stammt aus den Anden und wird dort in großer Farbenvielfalt kultiviert.
Während der Anbau im Wesentlichen wie bei Kartoffeln erfolgt, gleicht Oca mit ihrer Gesundheit eher dem Topinambur. Der Blick auf Krankheiten spielt bei der Vermehrung also weniger eine Rolle.
Worauf geachtet werden muss, sind die Nachttemperaturen im Herbst. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Oca-Knollen einerseits erst in den kürzer werdenden Tagen wachsen, andererseits frostempfindlich sind. Die Ernte lange hinauszuzögern, möglichst bis das Laub durch leichten Frost abfriert, die Knollen in der Erde dennoch frostfrei bleiben, das ist die Kunst.
Knollen zum Pflanzen werden den Winter über wie Kartoffeln (leicht feucht und kühl, aber frostfrei) gelagert und ab Ende April gepflanzt.
Erwähnenswert ist, dass die Größe der Pflanzknollen kaum Auswirkungen auf den späteren Ertrag hat: Die neuen Knollen werden so spät im Jahr gebildet, dass sich bis dahin auch aus kleineren Pflanzknollen schon schöne Pflanzen entwickeln konnten.
Weitere "Erdfrüchte"
Ganz ähnlich und in jedem Einzelfall doch wieder speziell lassen sich auch andere Knollenfrüchte wie Zuckerwurz und Erdkastanien, Wurzelgemüse wie der Meerrettich oder weitere Zwiebelgewächse vegetativ vermehren.
In jedem Falle sollten alle vorgestellten Methoden lediglich als Anregung verstanden werden, die den Bedingungen „vor Ort“ (Hausgarten und Lagermöglichkeiten) angepasst werden können.
Explizit möchte ich dazu einladen zu experimentieren: Da die Zehen, Knollen, Bulbillen eh jedes Jahr gepflanzt werden müssen, gibt es reichlich Gelegenheiten dazu. Und was es auch gibt jedes Jahr, sind – zum Essen – Knoblauch, Kartoffeln & Co.