Dreschflegel Bio-Saatgut
Samenbau: Tomate(Autorinnen: Maren Uhmann und Stefi Clar)
Nach dem doch sehr trocken bis erdfeuchten Artikel des letzten Jahres zu Knoblauch, Kartoffeln & Co. aus unserer Reihe "Samenbau im Hausgarten" geht es dieses Jahr um Pflanzen, deren Saatgut nass gewonnen wird – nämlich um die unvermeidliche Tomate, über die wir in diversen Artikeln schon fast alles geschrieben haben, weshalb wir auch diesmal auf botanische Ausführungen und Hinweise zum Anbau verzichten.
Tomatensaatgut lässt sich so leicht gewinnen, dass das eigentlich der ideale Einstieg in unsere Reihe gewesen wäre. Stattdessen hatten wir in Teil I die Bohnen (krankheitsanfällig) und schon im zweiten Teil der Reihe die Beta-Rüben als zweijährige Kultur (Überwinterung schwierig, als Fremdbefruchter im Hausgarten auch nicht einfach) gewählt. Vielleicht liegt es daran, dass wir dachten: "Ach, Tomaten, das kann ja eh jedeR".
Dem scheint aber doch nicht so zu sein, wie folgende Anekdote belegt: Ein Kollege nahm an einer Betriebsbesichtigung einer Gemüsegärtnerei teil. Diese Gärtnerei hatte eine enorme Vielfalt an Tomaten angebaut, die bei eben genannter Besichtigung auch durchprobiert wurde. Eine Teilnehmerin fand eine Tomate so toll, dass sie relativ verzweifelt fragte, wo sie denn Saatgut dieser Sorte herbekommen könnte. Die Antwort unseres Kollegen: "Es hängt vor deiner Nase."
Befruchtungsverhältnisse

Zeichnung: Quirin Wember
Zunächst gilt es bei Tomaten zu unterscheiden, ob die jeweilige Sorte, von der Saatgut genommen werden soll, selbst- oder fremdbefruchtend ist. Zwar gelten Tomaten grundsätzlich als selbstbefruchtend, aber manche Sorten (vor allem, aber nicht nur Fleischtomaten) sind es nicht, sie können zusätzlich von Insekten bestäubt werden. Erkennbar ist das daran, dass die Narbe aus den zu einer Röhre zusammengewachsenen Staubgefäßen hervorlugt.
Wer von solchen Sorten selbst Saatgut nehmen möchte, sollte diese Tomaten in irgendeiner Form isoliert anbauen, es sei denn, es sollen neue Sorten entstehen.
Eine Möglichkeit ist, dass ein räumlicher Abstand von mindestens zehn Metern zu anderen Sorten eingehalten wird. Wer ganz sicher gehen will, kann auch einen einzelnen Blütenstand durch Pergamentbeutel oder Gazesäckchen schützen. Um die Befruchtung zu gewährleisten, reicht es, den Blütenstand am Vormittag hin und wieder zu schütteln.
Auslese
Was die Arbeit rund um die Saatgutgewinnung tatsächlich komplizierter macht als bei anderen Kulturen, ist die Auslese. Einem Salat, einer Roten Bete oder einem Kohlkopf sehe ich direkt an, ob er meinen Vorstellungen entspricht oder nicht, und ein Geschmackstest ist auch relativ eindeutig.
Bei der Tomate dagegen ernten wir über viele Wochen – aber zu welchem Zeitpunkt kann ich sagen: das ist die schönste, ertragreichste, freilandgeeignetste Pflanze mit den leckersten Früchten, von der nehme ich Saatgut?
Neben der Länge der Ernteperiode gibt es auch noch eine weitere Schwierigkeit. Wie bei anderem Fruchtgemüse auch, ist der Geschmack der Früchte an derselben Pflanze von vielen Faktoren abhängig: Wetter, Temperatur, Reifegrad.
Für den Hausgarten ist es deswegen empfehlenswert, gar nicht so viele Tomaten einer Sorte anzubauen und sich dann zu merken oder zu notieren, welche Einzelpflanzen einen besonders frühen Ertrag hatten, welche möglichst gesunde Früchte haben, von welcher Pflanze die Früchte zu verschiedenen Ernteterminen besonders lecker sind. Und von diesen Pflanzen wird dann Saatgut genommen.
Wir Betriebe legen noch eins drauf und prüfen beim nächsten Anbau die Nachkommen dieser Einzelpflanzen. Und da unser Anbauumfang deutlich größer ist als im Hausgarten, geht es nicht mit bloßem Merken, sondern mit Zählen, Wiegen, Aufschreiben und im Spätsommer Auswerten.
Spannend ist dann immer die Situation, die von den Daten her tollen Nachkommenschaften und Einzelpflanzen auf dem Acker zu bestaunen – um dann manchmal festzustellen, dass die Nachbarpflanzen viel schöner aussehen!
Das liegt oft daran, dass Pflanzen, die am Anfang nicht so recht in die Puschen kamen, im Spätsommer richtig loslegen und noch viel junges Grün haben (welches nicht so krautfäuleanfällig ist), die tollen Pflanzen aber schon etwas abgetragen wirken.
Hier geht es natürlich auch darum, einen guten Zeitpunkt für die Entscheidung und die Saatguternte zu finden. Es sollte vor den ersten Nachtfrösten passieren und auf jeden Fall, solange es noch gesunde Früchte gibt! Andererseits sollte es möglichst spät gemacht werden, um vorher schon eine lange Ernteperiode beobachten zu können.
Beschriftung und Lagerung
Wie immer bei Saatgut gilt auch hier: alles gut beschriften mit Sortennamen, Jahrgang, evtl. Besonderheiten bei der Auslese, denn hinterher können die verschiedenen Sorten und Partien sonst nicht mehr unterschieden werden.
An einem kühlen und trockenen Ort gelagert, sind Tomatensamen mindestens drei Jahre gut keimfähig, manchmal halten sie sich sogar acht Jahre!
Und zu guter Letzt
Wer jetzt Lust bekommen hat, noch ein bisschen tiefer in die Saatgutarbeit bei Tomaten einzusteigen, der/dem sei noch unser HATO-Projekt ans Herz gelegt, mit welchem wir die Grundlagen liefern, nicht nur Tomatensaatgut bestehender Sorten zu ernten, sondern um eigene Tomatensorten im Hausgarten zu züchten. Viel Spaß dabei!